Die Region Rendsburg steht exemplarisch für die Herausforderungen und Chancen interkommunaler Zusammenarbeit in strukturell zersplitterten Räumen. Geprägt durch historische Besonderheiten, flächenbezogene Engpässe und ein wachsendes Bedürfnis nach gemeinsamer Entwicklung. (Zur Vorbereitung auf das Fishbowl-Format der Landesgruppen Nord & Berlin, Brandenburg empfohlen)

Autor: Frank Thomsen
Landesgruppe Nord
04. Juli 2025

Der Kooperationsraum der Region Rendsburg umfasst neben den Städten Rendsburg als Mittelzentrum und Büdelsdorf als Stadtrandkern die Gemeinden Alt-Duvenstedt, Borgstedt, Fockbek, Jevenstedt, Nübbel, Osterrönfeld, Rickert, Schacht-Audorf, Schülldorf, Schülp bei Rendsburg und Westerrönfeld mit zusammen 71.000 EinwohnerInnen.

Mit dieser Zusammensetzung ist exakt der landesplanerisch definierte Stadt-Umland-Bereich abgebildet. Dessen Zuschnitt geht auf die Besonderheit Schleswig-Holsteins zurück, dass es in den 1970er Jahren im Gegensatz zu allen anderen „alten“ Flächenländern keine Gemeindereform gegeben hat. In jedem anderen Bundesland hätte Rendsburg 71.000 EinwohnerInnen mit 12 Stadtteilen.

 

SUB Rendsburg mit Flächen »

Als weitere Eigenheit der Region ist festzustellen, dass im Vergleich zu allen anderen 13 mittelzentralen Stadt-Umland-Bereichen des Landes Schleswig-Holstein außerhalb von Verdichtungsräumen einzig die Stadt Rendsburg weniger Einwohnerinnen und Einwohner (knapp 30.000) als ihr Umland aufweist. Zudem verfügen zwei der politisch selbständigen Umlandgemeinden über eine größere Gemeindefläche als die Stadt Rendsburg selbst. Weiterhin wird das Stadtgebiet durch den Nord-Ostsee-Kanal und den Verlauf der Eider mehrfach geteilt. Damit ist schon geophysisch mangelnde Flächenverfügbarkeit als stadtentwicklungsplanerisches Kernproblem Rendsburgs umrissen. Dieses hat schon frühzeitig den Blick über die Stadtgrenze hinaus erfordert.

Erste Schritte zur interkommunalen Kooperation ab 1994

Nachdem es zuvor schon informelle Gespräche zwischen der Stadt Rendsburg und einigen Umlandkommunen gegeben hatte, wurde ab 1994 ein erster Anlauf für eine interkommunale Kooperation gestartet. Initiator war die Stadt Rendsburg und der Kreis Rendsburg-Eckern-förde sollte eine Moderationsrolle gegenüber den Umlandkommunen einnehmen.

Anlass für das Interesse an ersten Untersuchungen war die Frage, ob sich die Vorstellungen der Kommunen zur Flächenentwicklung mit den Bedarfsprognosen der Landesplanung decken. Im Ergebnis wurde anhand des Landesraumordungsplans 1998 festgestellt, dass sich die dem Stadt-Umland-Bereich bis 2010 zugestandenen Kontingente mit den Entwicklungsvorstellungen der Kommunen quantitativ deckten. Allerdings standen für die Deckung dieses Bedarfs in der mittelzentralen Stadt Rendsburg keinerlei Flächen zur Verfügung, sondern nur in Umlandgemeinden ohne zentralörtliche Einstufung. Der Kreis sah sich allerdings nicht veranlasst, hier eine Ausgleichsfunktion auszuüben, sondern verwies der Einfachheit halber auf die Möglichkeit bilateraler Vereinbarungen zwischen der Stadt und den Umlandkommunen.

Als Ergebnis wurde dieser erste Versuch einer Kooperation 1998 beendet und ohne Beteiligung des Kreises ein nur bilateraler Austausch zwischen der Stadt und Umlandkommunen eingeleitet. In dessen Folge wurde 1999 ein Vertrag zwischen der Stadt Rendsburg und der Gemeinde Osterrönfeld geschlossen. Dies war der erste Vorläufer der heutigen Stadt-Um-land-Kooperation. Mit Zustimmung der Landesplanungsbehörde wurden der Gemeinde Osterrönfeld zusätzliche Entwicklungskontingente im Wohnungsbau, bei den gewerblichen Bauflächen und im Einzelhandel zugestanden. Die Verträglichkeit der zusätzlichen Einzelhandelsentwicklung wurde zuvor per Gutachten mit den Rendsburger Strukturen abgeglichen. Im Gegenzug erhält Rendsburg von Osterrönfeld jährliche Ausgleichszahlungen im Sinne einer wenn auch nicht zweckgebundenen Infrastruktur- oder auch Wohnbaulandabgabe.

Dieser erste Vertrag war für die übrigen Umlandgemeinden der Anlass, erneut über eine gesamthafte regionale Kooperation nachzudenken. Interessanterweise auf Initiative der Umlandgemeinde Fockbek wurde 1999 zunächst die grundsätzliche Mitwirkungsbereitschaft aller Kommunen an einer gemeinsamen Planung abgefragt. Nachdem das Interesse einstimmig feststand, wurde ein Leistungsbild für die Aufstellung eines ersten Gebietsentwicklungsplans (GEP) erarbeitet.


Strukturierte Planungsprozesse ab 2001

Die Initiative einer Umlandgemeinde war hier sehr hilfreich, da zentrale Orte am Anfang eines Kooperationsprozesses zumeist unter dem Generalverdacht stehen, die kleineren Partner dominieren zu wollen. Dafür können diese aus ihrer Sicht auch (meist weit zurückliegende) Beispiele benennen.

Zur Steuerung des Planungsprozesses für den GEP wurde Ende 2001 ein Arbeitsausschuss ins Leben gerufen, der nebenamtlich aus den Führungskräften der Verwaltungen der beteiligten Kommunen bestand. 2002 wurde der Auftrag an ein Planungsbüro erteilt. Sehr schnell wurde aus der reinen GEP eine Handlungsstrategie mit drei wesentlichen Punkten entwickelt:

  • Schaffung arbeitsfähiger Strukturen der Kooperation
  • Inhaltliche Bestimmung des GEP von der Bestandsanalyse bis zum Entwicklungsplan
  • Entwicklung eines Stadt-Umland-Interessenausgleich

Damit war es gelungen, nach der Identifikation gemeinsamer Interessenlagen die Anfangseuphorie schnell in operatives Handeln zu übersetzen.

Die folgenden Jahre 2003 und 2004 stellten für die Stadt-Umland-Kooperation entscheidende Wendepunkte dar. Zwei Entwicklungen waren dafür maßgeblich:

1.  Die im Landesraumordnungsplan 1998 bis 2010 zugestandenen Wohnbauentwicklungskontingente wurden von drei Umlandkommunen 2003 nicht nur erreicht, sondern bereits überschritten. Ohne Kooperationsvereinbarung wäre im Wohnungsbau dort also ein 7-jähriger Stillstand eingetreten.

2.  Der letzte Anstoß ging von der militärischen Konversionsentscheidung des Bundes 2004 aus. Schon nach der ersten Konversionswelle Ende der 1990er Jahre hatte die traditionelle Garnisonsstadt Rendsburg mit seinen beiden Kasernen und der Standortverwaltung befürchtet, dass es in der nächsten Welle zu einzelnen Schließungen kommen könnte. Der Bund entschied aber weitergehend die Aufgabe aller drei Standorte, was mit dem Verlust von 1.870 Dienstposten einherging. Die erkennbar dramatischen Folgen dieser Entscheidung haben die Solidarität des Umlands mit dem Mittelzentrum sehr befördert, da nun auch dem letzten regionalen Akteur klar wurde, dass es sich bei den zu erwartenden Folgen nicht um ein rein städtisches Problem handeln würde.

Im Ergebnis können überörtliche Sachzwänge den Kooperationsprozess also befruchten. Hier ist besonders die Steuerungsfunktion der Landesplanung anzusprechen, jedenfalls soweit sie nicht politisch motiviertem Liberalisierungsverhalten unter Missachtung der wachsenden Ressourcenknappheit unterworfen wird. Aber auch krisenhafte, einen Strukturwandel auslösende Standortentscheidungen größerer Arbeitgeber können hier eine Chance zu solidarischen Problemlösungsansätzen bieten.

Institutionalisierung durch verbindliche Vereinbarungen

Somit konnten 2004 und ergänzend 2006 verbindliche interkommunale Vereinbarungen nach dem Gesetz über kommunale Zusammenarbeit (GkZ S-H) abgeschlossen werden. Als Vertragspartner fungierten die 13 Städte und Gemeinden des Stadt-Umland-Bereichs sowie bemerkenswerterweise auch die Landesplanungsbehörde. Zentrale Regelungen betrafen die Fixierung des GEP zur gemeinsamen Steuerung der Flächenentwicklung im Stadt-Umland-Bereich sowie die Vereinbarung eines Interessenausgleichs. Hinzu trat eine gemeinsame Geschäftsordnung für die neu zu schaffenden Kooperationsgremien. Die Beteiligung der Landesplanungsbehörde bewirkte im täglichen Planungsgeschäft eine faktische Stellung des GEP als Teilfortschreibung des Regionalplanes.

Als gemeinsame globale Ziele der Vereinbarungen wurden zunächst formuliert:

  • Denken ohne Grenzen
  • Innenentwicklung fördern
  • Zersiedelung vermeiden
  • Regionale Identität fördern
  • Kommunale Identität wahren
  • Unterschiedliche Lebensqualitäten sichern
  • Freizeitqualitäten und soziale Infrastruktur sichern und ausbauen
  • Den Wirtschaftsraum attraktiv gestalten

Aus diesen Grundsätzen und Zielen wurden konkrete Handlungsfelder entwickelt.

Es war anfangs notwendig, zur Bewältigung historischer Stadt-Umland-Konflikte die Bestimmung der gemeinsamen Ziele im Interesse der Integration aller Beteiligten sehr abstrakt ausfallen zu lassen. Zum Start ging es deutlich um die Findung inhaltlich kleinster gemeinsamer Nenner.

Dreistufiges Modell des Interessenausgleichs

Im Ergebnis fand 2012 eine Überführung des Vertrags über kommunale Zusammenarbeit in die „Entwicklungsagentur für den Lebens- und Wirtschaftsraum Rendsburg“ als AöR statt (https://www.entwicklungsagentur-rendsburg.de); zwar mit allen 13 Kommunen, jetzt aber ohne Landesplanungsbehörde. Grundlagen und Aufgaben der AöR sind in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag definiert.

Kernstück der Vereinbarungen ist der Interessenausgleich. Mit diesem sollte für die Städte ein Äquivalent zu den erweiterten Entwicklungsmöglichkeiten der Umlandkommunen geschaffen werden. Dieser Interessenausgleich gliedert sich in drei Stufen:

» In Stufe 1 wurde eine abgestimmte Flächenentwicklung vereinbart mit dem Hauptziel,
Flächenüberangebote zu vermeiden. Vorrangig sollen Konversionsflächen und Innentwicklungspotenziale mobilisiert werden. Zu Beginn des Kooperationsprozesses bestand eine der größten Herausforderungen darin, übermäßige Flächenexpansionswünsche der Umlandgemeinden zu koordinieren. Ein schlichtes Streichen unverträglicher Erweiterungsabsichten hätte den Kooperationsprozess gesprengt. Das Problem wurde durch eine dreistufige zeitliche und räumliche Prioritätenbildung in der Flächenentwicklung von Wohnen und Gewerbe gelöst. Zeitlich umfassen die Prioritäten 1 bis 3 je fünf Jahre. In den ersten fünf Jahren ist also nur die erste Priorität ist realisierbar. Nach deren Ausschöpfen wäre eine vorgezogene Inanspruchnahme der zweiten Priorität möglich, setzt aber die „Rückgabe“ einer adäquaten Fläche der ersten Priorität einer anderen Kommune voraus. Dieser Tauschmechanismus hat in der Praxis gut funktioniert. Nach fünf Jahren steht eine Fortschreibung des GEP an.


» In Stufe 2 wird die interkommunale Zusammenarbeit mit Projektbezügen geregelt, z.B.:

  • Gründung einer „Leitstelle Fördermittelmanagement“ mit der benachbarten Entwicklungsagentur Heide (AöR). Hier wird seit 2015 sehr erfolgreich ein gemeinsam finanzierter „Fördermittelscout“ beschäftigt, der in den beiden Regionen nicht nur in der Kommunalförderung, sondern auch in der einzelbetrieblichen Förderung tätig ist.

  •  Einrichtung eines Mobilitätsmanagements, anfänglich zur Umsetzung des Förderprojekts „Klimaschutz im Radverkehr“ im Bundeswettbewerb des BMU, inzwischen aber sehr viel weitergehend zur Aufstellung eines gemeinsamen Mobilitätsentwicklungsplans (MEP) für die Region.

  • Aufstellung und regelmäßige Fortschreibung eines regionalen Einzelhandelsgutachtens

» In Stufe 3 wurde ein als vorbildlich geltender Strukturfonds zur Finanzierung von Planungs- und Investitionsprojekten mit regionalem Bezug, den sogenannten Leitprojekten aufgebaut. Der Strukturfonds wird aus Beiträgen der Gesellschafter der AöR gespeist und verfügt über zwei Beitragsarten:

  • Grundbeitrag Anfänglich gab es erhebliche Diskussionen, nach welchen Kriterien dieser jährlich zu zahlende Beitrag festgelegt werden soll. Der Einwohnerschlüssel erschien von vorneherein als zu statisch, da er die individuelle Leistungs- und Wirtschaftskraft der Kommune nicht berücksichtigt. Schließlich einigte man sich auf einen prozentualen Anteil der Umlagegrundlage nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG S-H), derzeit auf 1%.

  • Entwicklungsbeitrag Für die Entwicklung neuer Wohngebiete in den bisherigen Außenbereichen der Umland-kommunen wird eine „Wohnbaulandabgabe“ erhoben. Die Bemessung erfolgt nach Wohneinheiten, die nach dem 01.01.2007 per B-Plan auf GEP-Entwicklungsflächen in Außenbereichen neu geschaffen wurden und belaufen sich auf einmalig 2.500,-- € pro Wohneinheit.

Die Städte Rendsburg und Büdelsdorf sind vom Entwicklungsbeitrag befreit. In der inzwischen langjährigen Praxis ist der Strukturfonds nie ernsthaft in Frage gestellt wor-den. Gerade weil es hier ums Geld geht, ist dies ein starker Qualitätsbeweis der Partnerschaft.

Erfolgsfaktoren der interkommunalen Kooperation

Zum Schluss lassen sich die Erfolgsfaktoren einer interkommunalen Ressourcenpartnerschaft wie folgt zusammenfassen:

  • Ohne Problembewusstsein auch im Umland gibt es keine Initiative zur Zusammenarbeit. Wenn sich die Region selbst nicht hilft, tut es auch kein anderer

  • Das gerade von kleineren Umlandkommunen gern geforderte Verhandeln „auf Augenhöhe“ bedeutet bildlich gesprochen, dass der größere Partner im Zweifel auch einmal auf die Knie gehen muss.

  • Sollte Aufbruchstimmung geschaffen werden können, wäre diese möglichst schnell für die Schaffung von (anfangs gern informellen) Arbeitsstrukturen zu nutzen.

Zum Schluss: Für die Gründung einer Partnerschaft ist trotz aller fachtheoretischen Rahmenbedingungen der menschliche Faktor nicht zu unterschätzen. Auch selbstverständlich erscheinende Sachfragen sind in den seltensten Fällen naturgegeben konsensfähig sondern stellen hohe Anforderungen an eine im ersten Schritt aufzubauende Kommunikationskultur.
Ohne diese geht nichts.


gefördertes Leitprojekt Sanierung Stadttheater Rendsburg © Stadt Rendsburg
gefördertes Leitprojekt Bahnhaltepunkt Schülldorf © Stadt Rendsburg

(Überarbeitete Version eines Beitrags in „Planungspraxis regionaler Initiativen und interkommunaler Kooperation – Neue Materialien zur Planungspraxis“, ISW Projekte 41, 2020) 03.07.2025