Baulandbereitstellung unter Nutzung der vorhandenen Ressourcen ist die Zielsetzung des Baulandfonds SH. Er setzt bei einem sensiblen Umgang mit Bestandsstrukturen an. Die Förderung unterstützt die Entwicklung und Wiedernutzbarmachung von Flächen nicht entwickelt wurden. Denn auch wenn vielerorts Flächenpotenziale vorhanden sind, fehlt es den Kommunen oft an Kapazitäten und Ressourcen, um Entwicklungsprozesse anzustoßen und umzusetzen. 

Autorin: Dr. Julia Kroh
Leiterin Quartiersentwicklung und kommunale Infrastruktur Investitionsbank Schleswig-Holstein
Autorin: Sandra Stubenrauch
Projektleiterin BIG Städtebau GmbH
03. September 2025

Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum bleibt hoch, während gleichzeitig politische und gesellschaftliche Ansprüche wachsen, den Flächenverbrauch zu senken. So hat sich Schleswig-Holstein zum Ziel gesetzt, bis 2030 die tägliche Flächenneuinanspruchnahme auf unter 1,3 Hektar pro Tag zu senken. Für Kommunen kann das bedeuten, dass sich Aufgaben in der Flächenentwicklung verschieben – weg von der Ausweisung neuer Baugebiete auf der „grünen Wiese“ hin zur intelligenten Innenentwicklung und zum sensiblen Umgang mit Bestandsstrukturen. Um die Rolle von Kommunen in der Flächenentwicklung zu stärken, hat das Land Schleswig-Holstein (SH) den Baulandfonds entwickelt. Der Baulandfonds wurde geschaffen, um Städte und Gemeinden gezielt bei der aktiven Baulandentwicklung insbesondere im Innenbereich und auf Konversionsflächen zu unterstützen und damit den Siedlungsraum qualitativ aufzuwerten. Es handelt sich dabei um ein zweistufiges Förderprogramm, in welchem Beratung und Bewilligung bei der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) durchgeführt werden.

Baulandfonds SH zur Risikoabsicherung 

Der Baulandfonds setzt bei einem sensiblen Umgang mit Bestandsstrukturen an. Die Förderung unterstützt dabei auch die Entwicklung und Wiedernutzbarmachung von Flächen, die bislang aus Gründen wie beispielsweise fehlender Rentabilität nicht entwickelt wurden. Denn auch wenn vielerorts Flächenpotenziale vorhanden sind, fehlt es den Kommunen oft an Kapazitäten und Ressourcen, um Entwicklungsprozesse anzustoßen und umzusetzen. Insbesondere kleinere Kommunen mit geringen Ressourcen zur Entwicklung komplexer Flächen (wie im ländlichen Raum von Schleswig-Holstein) können vom Baulandfonds profitieren und die Chance zur aktiven Bodenpolitik und einer integrierten und nachhaltigen Quartiersentwicklung im Ortskern nutzen. Mit Zuschüssen für Potenzialanalysen für städtebauliche Analysen, zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit und Darlehen mit Risikoabsicherung für Grunderwerb und Erschließung gibt der Baulandfonds Kommunen Mittel an die Hand, um Bauland strategisch zu entwickeln und Konversionsflächen entwicklungsfähig zu machen. 

Beim zweistufigen Baulandfonds bildet die Potenzialanalyse in Programmteil 1 die Grundlage für den sich anschließenden Programmteil 2, das Darlehen. Dabei werden in der, mit 70 Prozent durch das Land Schleswig-Holstein bezuschussten, Potenzialanalyse die Erschließungs- und Bebauungsoptionen untersucht und Kosten für die Flächenmobilisierung aufgestellt. Kommunen bekommen so einen ersten Eindruck zur möglichen planerischen Gestaltung der Fläche sowie eine Aufstellung der zu erwartenden Erlöse aus den Grundstücksverkäufen. Daraus ergeben sich Minder- oder Mehrerlöse aus der Flächenentwicklung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsdarstellung. Über einen mit der IB.SH geschlossenen Rahmenvertrag mit der BIG Städtebau und den Kooperationspartnern Form Follows You und Buro Happold können Kommunen ohne eigene Vergabe mit festem Leistungskatalog und nach Kategorien vereinbarten Preisen direkt beauftragen. Somit sind Potenzialanalysen schnell und standardisiert durchführbar. 


Aufbauend auf der Potenzialanalyse können Kommunen in Programmteil 2 ein Darlehen für den Grunderwerb, die Entwicklung und die Erschließung der untersuchten Fläche beantragen. Wichtig dabei: Kommunen können, müssen Programmteil 2 aber nicht in Anspruch nehmen. Dies könnte insbesondere bei prognostizierten Mindererlösen sinnvoll sein, denn das Land Schleswig-Holstein übernimmt zwei Drittel der Minderlöse bis zu einer maximalen Höhe von 20 Prozent der Darlehenssumme. Bei Mehrerlösen wird die Hälfte an das Land abgeführt, jedoch nicht mehr als 10 Prozent der Darlehenssumme. Das endfällige Darlehen läuft bis zu zehn Jahre mit Auszahlung in mehreren, in der Potenzialanalyse festgelegten, Tranchen. Durch die Abwicklung der gesamten Flächenentwicklung auf einem Sonder- oder Projektkonto werden am Ende der Laufzeit tatsächliche Kosten und Erlöse gegenübergestellt und Mehr- bzw. Mindererlöse festgestellt.

 

Abbildung 1: Diagramm zum Baulandfonds (Quelle: Investitionsbank Schleswig-Holstein) 

 

Potenzialanalyse als inhaltliche Grundlage der Flächenentwicklung

Auch wenn Potenzialanalysen am Ende die mögliche Wirtschaftlichkeit eines Flächenerwerbs und der Erschließung darstellen, ist für Kommunen die Herleitung dazu ebenso wichtig. Eine Potenzialanalyse startet mit einer Makroanalyse. Sie dient dazu, die Lage und Erreichbarkeit der Potenzialfläche mit einer kurzen Übersicht der Zentralität und Erreichbarkeit der Fläche per Flugzeug, Schienenverkehr, öffentlichem Personenverkehr (ÖPV) und motorisiertem Individualverkehr (MIV) zu beschreiben. Die Makroanalyse beinhaltet außerdem zusammengefasst eine Analyse der Nutzungen und der Bebauung sowie die demografische Entwicklung und den aktuellen Wohnungsbestand der Gemeinde. Der zweite Teil der Potenzialanalyse ist die Mikroanalyse. Diese beschreibt die zu entwickelnde Fläche mit der aktuellen Bebauung, der verkehrlichen und medialen Erschließungssituation und die formelle und informelle Planungssituation in Fläche und Umfeld. Sie beschreibt zudem überblicksweise Baulasten, Altlasten und Dienstbarkeiten im Grundbuch. 

Hervorzuheben sind die zwei, im Prozess der Potentialanalysenerstellung stattfindenden, Workshops mit den Kommunen. Sie legen weitere Rahmenbedingungen offen und haben zum Ziel die wichtigsten Akteurinnen und Akteure unter anderem aus Politik und Verwaltung zu beteiligen und so die Akzeptanz sicherzustellen. Im ersten Workshop werden die Ergebnisse der Makro- und Mikroanalyse der Potenzialanalyse sowie ein digitaler Zwilling der Fläche vorgestellt. Durch die Anbindung offener Daten auf Landes- und Bundesebene (LOD2-Gebäudemodelle, ALKIS-Flurstücksdaten, 3D-Geländemodelle) kann mit der digitalen Planungs- und Analyseplattform, Buildplace, automatisiert ein 3D-Modell jedes Standorts in Deutschland erstellt und erste städtebauliche Überlegungen skizziert werden. 

Buildplace zeigt anschließend direkt, wie sich die Variante in die Umgebung einfügt und ermöglicht ein sofortiges Ablesen wichtiger Kennzahlen der dargestellten Entwicklungsskizze, wie beispielsweise die Anzahl von Wohneinheiten, Angaben zur Dichte (wie GRZ) und Geschossflächenzahl (GFZ).

Mit dem digitalen Zwilling können während des Workshops direkt Anpassungen und Veränderungen vorgenommen und die Bedarfe und Entwicklungsziele für die Fläche diskutiert und bestätigt werden. 


Der zweite Workshop hat zum Ziel bis zu drei ausgearbeitete Varianten mit dem Teilnehmerkreis zu diskutieren und eine Fokusvariante auszuwählen. Die Varianten enthalten die Gebäudekubaturen (inklusive Nutzungszuweisungen), Grünflächen, mögliche verkehrliche Erschließung mit Straßen und Fuß- und Radwegen sowie eine Prüfung der Stellplatzmöglichkeiten gemäß lokaler Satzung. Die Fokusvariante ist die Grundlage für die sich anschließende Betrachtung der Kosten der Flächenentwicklung bis zur Baureife (d.h. Ankauf und Erschließung der Fläche inklusive Baunebenkosten) und der Einnahmen durch den Abverkauf des Baulandes. Im Ergebnis kann die potentielle Ausnutzung des Grundstücks und die daraus resultierende Wirtschaftlichkeit eines Flächenerwerbs und der Erschließung dargestellt und als Grundlage für weitere Konkretisierungen genutzt werden.

 

Beispiele zeigen Heterogenität der Flächen und Bedarfe

Das erste Beispiel verdeutlicht die Relevanz des Baulandfonds in ländlichen Gemeinden. In der Gemeinde  Hemdingen, welche unter 2000 Einwohnende hat, erstellte die BIG Städtebau mit Form Follows You und Buro Happold zwei Potenzialanalysen für zwei nebeneinander gelegene Flächen in der Ortsmitte. Die erste Potenzialanalyse einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche innerhalb der Ortschaft an der Reesenhöh wurde von der IB.SH im März 2023 bewilligt. Für diese Fläche wählte die Gemeinde vorläufig eine Fokusvariante mit Mehrfamilien- und Kettenhäusern mit insgesamt 46 neuen Wohneinheiten und Grünfläche sowie Gewerbenutzungen entlang der Hauptstraße (siehe Abbildung 2). Die zweite Potenzialanalyse beantragte die Gemeinde Anfang 2024 für ein sich angrenzendes Flurstück mit dem sogenannten „Hemdinger Hof“ und nahm Gespräche mit dem Eigentümer zu einem möglichen Flächenankauf auf. Die Bedeutung des angrenzenden Flurstücks und einer möglichen Neuordnung zeigte sich in Hinblick auf die Stärkung der Ortsmitte als Aufenthaltsort und einer angenehmeren Rad- und Fußwegeführung (siehe Abbildung 3). In Kombination können mit der Umsetzung der Fokusvarianten beider Potenzialanalysen bis zu 71 Wohneinheiten in 21 neuen Gebäuden entstehen. Die Gemeinde Hemdingen hat für die Entwicklung der Flächen ein Darlehen (Programmteil 2 des Baulandfonds) bei der IB.SH aufgenommen, und kürzlich einen Zuwendungsbescheid für das Sonderprogramm „Neue Perspektive Wohnen“ zur Erstellung eines B-Plans für das Gebiet erhalten.

Abbildung 2 und 3: Modell der Fokusvarianten „Hofkoppel“ und „Hemdinger Hof“ (Beispiel 1) (Quelle: Form Follows You – Ansicht in Buildplace, 2023 und 2024) 

 

Das zweite Beispiel ist das ca. 3,8 ha große im Zentrum und nah am Bahnhof der Stadt Tornesch gelegene Gelände einer ehemaligen Papierfabrik. Das Beispiel in Tornesch zeigt stellvertretend die Relevanz der Auseinandersetzung mit Flächenpotenzialen im innerstädtischen Kontext. Im ersten Workshop mit Teilnehmenden aus Politik und Verwaltung wurden nicht erhaltenswerte Gebäudesubstanzen identifiziert und es entstanden erste Überlegungen für die Entwicklung eines gemischten Quartiers an diesem Standort. Neben der Entwicklung von ca. 175 Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern und Wohnen über gewerblich genutzten Erdgeschossen können in dem neuen Quartier Büros, ein Ärztehaus und eine Quartiersgarage entstehen. Zudem kann mit der Neuentwicklung des Quartiers ein neuer, attraktiver Platz entstehen, der zum Verweilen einlädt. Die Potenzialanalyse befindet sich derzeit noch in der Ausarbeitung.

Abbildung 4: Modell der Variante A – „Papierfabrik Meldorf“ der Stadt Tornesch (Beispiel 2) (Quelle: Form Follows You – Ansicht in Buildplace, 2025)

 

Drittes und viertes Beispiel sind die Potenzialanalysen in Wesenberg und Barmstedt, welche zeigen, dass eine jeweils ca. 1 ha große zentral gelegene Fläche in Abhängigkeit der Bedarfe und Wünsche der Gemeinden unterschiedlich gestaltet werden kann. In Wesenberg enthielt die Fokusvariante bis zu 40 neu entwickelte Wohneinheiten in drei Geschosswohnungstypen und mit einer verkehrlichen Ringerschließung. In Barmstedt dagegen enthielt die Fokusvariante nahezu genauso viele Wohneinheiten in einer geschlossenen Bebauung entlang der Straßen. Aufgrund diverser Restriktionen des bestehenden Planungsrechts konnte nur der vordere Grundstücksbereich überplant werden, sodass die Bebauung hier eine Kammstruktur und Bildung von zwei Innenhöfen zeigt.

Abbildung 5 und 6: Modell der Fokusvarianten „Wesenberg“ und „Barmstedt“ (Beispiel 3 und Beispiel 4) (Quelle: Form Follows You – Ansicht in Buildplace, 2024) 

 

Fazit und Ausblick 

Mittlerweile sind 19 Potenzialanalysen in diversen Gemeinden Schleswig-Holsteins durch die IB.SH bewilligt und der Großteil durch die BIG Städtebau und den Kooperationspartnern Form Follows You und Buro Happold fertig gestellt. Daraus lassen sich folgende vorläufige Erkenntnisse zusammenfassen: 

Kommunen nutzen Potenzialanalysen zur Untersuchung komplexer Flächen und bekommen eine solide Entscheidungsgrundlage zur kommunalen Flächenentwicklung in Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit. 

Die kooperative Variantenerarbeitung und die Weiterentwicklung in den Workshops mit den Kommunen und den relevanten Akteuren ermöglichen es, optimale Grundparameter für städtebauliche Lösungen zu diskutieren und 
bestimmen. 

Die Potenzialanalysen bieten trotz standardisiertem Aufbau die Möglichkeit, ein breites Spektrum an Flächen mit unterschiedlichen räumlichen Ausgangssituationen, wie z.B. Neuordnung, Umgang mit Bestand oder Bauleitplanung, näher zu untersuchen. Somit kann auf die spezifischen Bedarfe der Kommune und der zu untersuchenden Flächen eingegangen werden. 

Digitale Planungstools, wie das vom Kooperationspartner Form Follows You, ermöglichen die Erstellung von Varianten je nach Zielen und Bedarfen der Kommunen. Mit digitalen Tools können Kenngrößen und –zahlen sofort bestimmt, Nutzungen und Kostenannahmen schnell miteinander verglichen werden und zudem Risiken schnell identifiziert werden. Die Arbeit mit digitalen Tools ermöglicht es den Kommunen, sich im Prozess mit diversen Wohntypologien und ihren Raumanforderungen zu beschäftigen und aufzuzeigen, wie sich diese in ihre Umgebung einfügen. So können mögliche Vorbehalte zu gewissen Wohntypologien abgebaut werden.

 


Bei Fragen kontaktieren Sie bitte: 

   
  Dr. Julia Kroh
Leiterin Quartiersentwicklung und
kommunale Infrastruktur 
Investitionsbank Schleswig-Holstein
Julia.Kroh@ib-sh.de 

www.ib-sh.de
 

Sandra Stubenrauch 
Projektleiterin 

BIG Städtebau GmbH 
sandra.stubenrauch@big-bau.de

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