Die Konversion von ehemals industiell und/ oder militärisch genutzten, innerörtlich gelegenen Flächen ist auch in kleineren Städten ein nicht seltener Fall größerer Stadtentwicklungsvorhaben. Dennoch unterliegen diese Vorhaben dort anderen Herausforderungen und Rahmenbedingungen. Diesen geht der Artikel nach und beleuchtet die Gelingensfaktoren.
Autorin: Dipl. Ing. Arch. Gesa Haan
BIG Städtebau GmbH – ein Unternehmen der BIG-BAU I Projektleiterin
24. September 2025
Bauen und Entwickeln im Bestand ist schon seit Jahrzehnten ein hehres Ziel, aus wissenschaftlicher Sicht mit unterschiedlichen Schwerpunkten immer wieder beschworen, erfährt es im Moment eine neue Aktualität durch den Schwerpunkt vorhandene Materialien wiederzuverwenden, Vorort aufbereitet und gesammelt. Flächen sparen, Ressourcen schonen, städtisch, vielfältig und sozial soll das Bauen und Entwickeln im Bestand sein. Doch warum tun wir uns damit so schwer und was sind die Herausforderungen?
Eine alte Kaserne, von der Bundeswehr aufgegeben, in einer eher strukturschwachen Region hat nicht viele Investoren. Doch gerade solche Flächen und Immobilien bergen die Chance gegen das Abseits, den Niedergang ein Zeichen zu setzen und eine neue Entwicklung und Transformation zu ermöglichen.

1. Aufgabe der militärischen Nutzung und Stand der Entwicklung
Die Entwicklung der Eiderkaserne zu einem neuen Stadtteil, als eines der ehrgeizigsten Projekte der Stadt, erfolgt im Rahmen der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme. Die 20 ha großen Flächen wurden 2009 von der Stadt Rendsburg (30.000 Einwohner) erworben. Ursprung war eine Festung, die 1864 nach dem Sieg Preußens über Dänemark umgebaut wurde. Ab 1905 entstand auf der zuvor geschliffenen Bastion die Eiderkaserne. Aus dieser Zeit stammen auch die noch vorhandenen denkmalgeschützten Mannschaftsund Wohngebäude und Reitställe. Die Bundewehr gab die Nutzung als Kaserne 2006 auf. Um nach dem Wegfall der Bundeswehr als einer der großen Arbeitgeber der Region einer negativen Bevölkerungs- und Stadtentwicklung entgegenzuwirken, beabsichtigte die Stadt die Flächen zu einem lebendigen innerstädtischen Quartier mit dem Schwerpunkt Wohnen, Bildung, Gesundheit und Dienstleistung zu entwickeln. Ziel war und ist es damit auch langfristig die Innenstadtentwicklung der Stadt Rendsburg zu stärken.
Auftakt dazu bildete ein von der Stadt durchgeführter städtebaulicher Wettbewerb, der die Anbindung der isolierten Kasernenfläche in die städtebauliche Struktur der barocken Stadt vorsah. Der Entwurf, der sich durch eine städtische Bebauungsdichte mit großzügigen Freiflächen aus den überwiegend bestehenden Grünzügen und Grünachsen auszeichnet, bildet die Grundlage für die 4 seit 2020 rechtskräftigen Bebauungspläne. Nach Abbruch, Altlasten- und Kampfmittebeseitigung wurde ab 2021 die Geländeprofilierung und die Erschließung hergestellt, die neben den Verkehrsanlagen und Grünzügen auch die Errichtung eines Lärmschutzwalles beinhaltete.
Parallel zu den vorbereitenden Maßnahmen für die Neubauflächen wurden im historischen Bereich von 2013 bis 2021 die denkmalgeschützten Gebäude und Reitställe veräußert. Nach anfänglichen Überlegungen einige der Denkmäler für städtische Zwecke zu nutzen wurde angesichts der hohen Kosten und der im Vergleich dazu wenig geeigneten Nutzungen verworfen. Gelang den Investoren zunächst mit der Nutzung durch das Jobcenter für das sog. Eiderschlösschen und durch Weiterbildungseinrichtungen den Umbau und Modernisierung dieser bedeutenden Backsteingebäude zügig umzusetzen, bleiben nun gerade die großen Reitställe unsaniert leer stehen.
Ein erster Baublock zwischen den alten Gebäudebestand und unmittelbar an die barocke Stadtanlage angrenzend wurde schon früh durch eine Wohnungsbaugesellschaft aus der Region entwickelt. Architektur und Wohnungs-/Gebäudetypen berücksichtigen in Material, Größe und Maßstab die Umgebung.
Die Neubauflächen umfassen 7 ha. Hier sollen insgesamt 400-450 Wohneinheiten entstehen, davon 61 % Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern, 32 % in Reihenhäusern und gut 7 % Einfamilienhäusern. Mit der Vermarktung dieser Flächen wurde 2022 begonnen. Großen Zuspruch erfahren insbesondere die Einfamilienhausgrundstücke. Die übrigen Flächen sollten im Rahmen einer Konzeptvergabe und einem Schlüssel für Sozialwohnungen zwischen 30 % und 50 % je Los vergeben werden. Dies erweist sich derzeit auf Grund der hohen Baukosten, Verringerung der Mittel für die Soziale Wohnraumförderung und der hohen Zinslage als schwierig. Eine Anpassung des Vermarktungskonzeptes wird derzeit diskutiert. Die Entwicklung der Neubauflächen und der Endausbau der Straßen dürften noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
2. Gibt es eine Bestandsstrategie?
Gegenüber vergleichbaren Konversions- und Entwicklungsmaßnahmen in größeren Städten und wachsenden Regionen zeichnet sich die Entwicklung in Rendsburg (oder auch anderen kleineren Städten) dadurch aus, dass sie länger dauern als gewohnt, dass die Abhängigkeit von einzelnen Akteuren größer sind, dass Vorstellungen und Planungen sich öfters ändern und flexibel auf immer wieder neue Anforderungen reagieren müssen.
2.1. Der richtige Zeitpunkt
Die Aufgabe der Nutzung durch die Bundeswehr bedeutete Verlust von Arbeitsplätzen, von Wirtschaftskraft, von sozialen Strukturen und auch Identität. Mit der frühen Entscheidung der Stadt die Entwicklung selbst in die Hand zunehmen und im Rahmen einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme zu entwickeln wurde erreicht, dass ein positives Zeichen und erstmal eine Perspektive gesetzt werden konnte.
2.2. Verantwortlichkeit in der Verwaltung und Verwaltungsspitze
Mit der Verortung der Maßnahme an einen Hauptverantwortlichen in der Verwaltungsspitze als Hauptakteur wurde gesichert, dass die Maßnahme nicht aus dem Blick geriet, trotz zahlreicher Unwägbarkeiten finanzieller, wirtschaftlicher Art, fehlender Kapazitäten und langer undefinierter Zeiträume.
Gleichzeitig wurden aber auch andere wichtige Vorhaben weiter vorangetrieben. Durch die Möglichkeit externe Fachleute und Sanierungsträger hinzuziehen, war am Anfang von großer Bedeutung um das Vorhaben zum Laufen zu bringen. Die Verortung der Verantwortlichkeit in der Stadtverwaltung für Quantitäten und Qualitäten ist unerlässlich.

2.3. Dynamisches Planen und kleine Abschnitte bilden
Die Größe und Bedeutung der Maßnahme erfordert ein schrittweises Vorgehen in räumlich, technischer, politischer und finanzieller Hinsicht.
Vorhandenes nutzen und erhalten
Sehr früh schon war klar, dass die Stadt Rendsburg die Flächen der ehem. Eiderkaserne für ihre eigene Entwicklung nutzen will. Daran schlossen sich die Überlegungen an, was an Gebäudebestand erhalten werden sollte: Insbesondere der historische Gebäudebestand mit seinen vielen Reithallen und Denkmälern ist schützenswert Nicht erhalten werden konnten jüngere Kasernenbauten.
Auch der Baumbestand und - dort wo möglich die zusammenhängenden Freiflächen sollten in das künftige Gebiet integriert werden. Zwischennutzungen boten sich nur wenige an, wie für den städtischen Bauhof.
Neue Nutzungen gesucht
Da die vorherige Nutzung komplett abgezogen war, war die Frage für die neuen Nutzungen von Anfang eine bestimmende. Allen Überlegungen gemeinsam war, dass es eine kleinteilige städtische Entwicklung sein sollte, die eine enge Bindung zu der Altstadt hat. Die Kaserne war zwar gegenwärtig in der Stadt, aber ansonsten eine Zone, die man üblicherweise nicht betrat.
Anfänglich standen öffentliche Nutzungen insbesondere für die historischen Kasernenbauten im Fokus. Sie konnten aber weder finanziert und noch weniger durch die Stadt unterhalten werden. Sehr früh gab es den Bedarf für Erweiterungen der unmittelbar angrenzenden Schulen, für die als eine der ersten Baumaßnahmen das ehem. Stabsgebäude umgebaut wurde. Man entschied sich dann die historischen Gebäude zu veräußern, gut die Hälfte wurde zwischenzeitlich saniert und werden von öffentlichen Dienstleistern und von Bildungsträgern genutzt. Schwierig ist die Umnutzung der denkmalgeschützten Reitställe.
Aussagen des Wohnungsmarktkonzeptes 2011 bescheinigten Rendsburg aufgrund der Bevölkerungsentwicklung eher einen Überhang an Wohnungen. Nach jüngeren Aussagen gibt es einen Bedarf für geförderten Wohnraum. Auch die Bevölkerungsentwicklung wird als längerfristig ausgeglichen bezeichnet, so dass gerade in der Innenstadtlage Nachfrage besteht.
Die angrenzende Klinik machte früh ein Bedarf für zusätzliche Flächen für die Kliniknutzung geltend, die Fläche wurde veräußert. Sowohl für den angrenzenden Stadtteil als auch für zukünftige Wohngebiete wurde eine Kita durch einen privaten Träger errichtet.

2.4. Warum braucht es Zeit?
Da die monetären Voraussetzungen in der Regel nicht oder nur langfristig gegeben sind, bestehen starke Abhängigkeiten vom städtischen Haushalt, von Fördermitteln und der Investitionsbereitschaft privater Investoren. Die Mittelplanung richtet sich nach der Größe des (kleinen) städtischen Haushaltes. Ohne Finanzierung mit Städtebaufördermitteln wäre die Maßnahmen nicht umsetzbar.
Die personellen Kapazitäten erlauben nur einen beschränkten Einsatz. Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, ein partnerschaftliches Miteinander der Akteure ist notwendig und muss gelernt sein.
Die Größe und Bedeutung der Maßnahme erfordert Schwerpunkte, um die Politik und Bevölkerung mitzunehmen. Kurze und kontinuierliche Information und Beteiligung der Öffentlichkeit sichern die Akzeptanz solcher Vorhaben.
2.5. Rentierlichkeit/Wirtschaftlichkeit
Maßnahmen im Bestand im Allgemeinen, Konversionsmaßnahmen im Besonderen sind in der Regel in kleineren Städten nicht rentierlich und wirtschaftlich umzusetzen, weshalb sich selten private Investoren
dorthin verirren. Bei der knapp 20 ha großen Fläche der ehemaligen Eiderkaserne werden die Aufwendungen für Freilegung, Erschließung und Durchführung zu 40 % aus Grundstückserlösen, zu 30 % aus Fördermitteln
und zu 30 % aus Haushaltsmitteln der Stadt finanziert.
Eine Betrachtung, was der stadtwirtschaftliche Nutzen und Ertrag ist, gibt es bislang nicht. Der Wert wäre sicherlich interessant. Entscheidend für die Kosten sind möglicher Erhalt von Gebäudebestand, für Abriss,
Aufwand für die Erschließung einschließlich Versorgung und Dauer der Maßnahme. Entscheidend für die Einnahmen sind Standort, Flexibilität und Attraktivität.
Bei Fragen kontaktieren Sie bitte:
Gesa Haan
Projektleiterin
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